zweikronenhaus zittau

Chronik

Angelika Wuensche 2011 - 2


Geschichte des Hauses Neustadt 35




Haus Nr. 35 im heutigen leider verfallenen Zustand



Die Lage des Hauses in der Stadt:



östliche Innenstadt um 1925, Haus Neustadt Nr. 35 (Pfeil)




Ausschnitt aus oberem Bild


Vorwort


Die Bundesrepublik Deutschland ist ein schönes Land, Sachsen ist ein schönes Bundesland, die Oberlausitz ist schön, schön ist das kleinste Mittelgebirge Deutschlands, das Zittauer Bergland, im Dreiländereck von Deutschland, Polen und Tschechien und schön ist die Stadt Zittau, gelegen im äußersten Südosten des deutschen Teils der Oberlausitz und Sachsens und an der Mündung des Flusses Mandau in die Neiße, beides Grenzflüsse zu Polen. Die Landschaft ist durch die Niederung der Mandau geprägt, die um Zittau herum träge dahinfließt und so ihrem aus dem Tschechischen stammenden Namen „die Faule“ alle Ehre macht. Mandau leitet sich im Slawischen von mantava ab und bedeutet „trübes Wasser“.


Heute hat Zittau ca. 29.000 Einwohner. Der Name Zittau wurde vom slawischen Wort zito, auf deutsch Roggen und der ursprünglichen Bedeutung „Land, wo Getreide gedeiht“, abgeleitet. Eine andere Quelle sagt, dass Zittau nach einer wendischen Fürstin Zittavia (oder Zedena, Sidonia, Chytava) (gest. 1021), einer Schwiegertochter des Markgrafen Brumiton zu Ringelheim, benannt wurde. Lausitz leitet sich von Lusica, auf deutsch Sumpfland, ab. Zittau, die „böhmischste“ unter den Oberlausitzer Städten, die bis 1635 zum Königreich Böhmen gehörten, sieht sich heute im Handel und kulturellen Austausch als Brücke zu den zwei Nachbarstaaten.


Zittau hat eine geschichtlich reiche, ca. 800-jährige Vergangenheit, die seit je her von Stadtschreibern, oberlausitzer Geschichtsschreibern und Historikern erfasst wurde. Da jedoch von Beginn der Stadtgeschichte an mehrere verheerende Stadtbrände stattfanden, ging fast sämtliches historisches Material verloren. Vieles heut Bekannte ist aus Erinnerungen und mündlichen Überlieferungen zusammengetragen worden. Deshalb ist mitunter nicht urkundlich belegt, ob sich eine Sache so oder anders zugetragen hat. Der Einfachheit halber schreibe ich manchmal in der Form, als ob sich die Dinge so zugetragen haben, wie ich sie beschrieben habe.


Mit der Historie und Zukunft unserer Stadt beschäftigt sich auch der FIO e.V., damit Erhaltenswürdiges und unter Denkmalschutz stehende Gebäude, auch wertvolle Bauwerke der Gotik, der Renaissance und des Barock, erhalten werden und Neues entstehen kann. Zittau nannte sich einst „Die Reiche und Schöne“, hat einen schönen, für Sachsen nahezu einmaligen klassizistischen und seit 1991 komplett unter Deckmalschutz stehenden Stadtkern, der entlang der alten Stadtmauern aus einem Ring von Grünanlagen umschlossen wird, dem „Grünen Ring“. Mit Recht darf sich Zittau zu den schönsten Städten des Freistaates rechnen. Vieles wurde schon aufwendig saniert, aber viel ist noch zu tun. Leider gibt es noch einen hohen Gebäude- und Wohnungsleerstand, der die Häuser verfallen lässt und somit das schöne Stadtbild beeinträchtigt. Diese Ausführungen sollen mithelfen, dem entgegenzuwirken und die Neugier und das Verständnis für den Erhalt alter Häuser zu wecken.



In die Zittauer Geschichte gingen einige geschichtsträchtige Personen ein. Einige davon sind mit dem Haus Neustadt 35 eng verbunden, so z. B. im 13./14. Jahrhundert König Ottokar II. und dessen Sohn Wenzel II., im 16. Jahrhundert die Familie Wilhelm Nesen und im 17. Jahrhundert die Familie Elias Weise mit dessen Sohn Christian Weise, zu denen noch Ausführungen folgen.


Da jedoch nicht nur die Geschichte des Hauses interessant ist, sondern auch die gesamte Entstehungsgeschichte des Landes, folgt für Interessierte auch eine nähere Abhandlung zur Entstehung der Oberlausitz und der Stadt Zittau.


Die Schreibweisen von Namen erfolgten früher sehr unterschiedlich, weil es noch keine einheitliche Rechtschreibung gab.



Die Oberlausitz


Die Oberlausitz, so benannt seit dem 16. Jahrhundert, ist das Ergebnis einer mehrere Jahrhunderte andauernden Entwicklung in verschiedenen ursprünglich slawischen Landschaften westlich und östlich der Neiße. Der Ursprung lag im Gebiet westlich der Neiße um Bautzen und Görlitz. Archäologische Funde belegen die Besiedlung des Zittauer Gebietes bereits in der Stein- und in der Bronzezeit. Im Zittauer Stadtgebiet, z. B. 1801 am Bautzener Tor und 1891 auf den Kaiserfeldern südlich der Stadt, fand man auch Funde aus der frühen Eisenzeit (ca. 1300 – 400 v.u.Z.). Während der Zeit der Völkerwanderung ließen sich germanische Siedler in südlicheren Regionen nieder. Im 6. Jahrhundert siedelten sich Sorben (Wenden) (westslawische Bewohner) bis an die Elbe und Saale an. Die Niederlausitz wurde vom sorbischen Stamm Milzane (Milzener) in der Gegend um Bautzen und von den Lunsizi nordöstlich davon besiedelt (die beiden gehörten zu den größten Stämmen), die Besunzane besiedelten die Gegend um Görlitz und die Poritschane („Flußleute“) das Zittauer Land zwischen Mandau und Neiße. Die Stammesburg der Sorben könnte sich etwa bei Poritsch oder Grottau befunden haben. In den einzelnen Dörfern könnten aber auch noch kleinere sogenannte Fliehburgen bestanden haben.


Der Name „Sorben“ (Sichelträger) deutet darauf hin, dass sie fleißige Ackerbauern waren. Ihre hölzernen Hakenpflüge eigneten sich jedoch nur zur Bearbeitung leichterer Ackerböden in der nördlichen Lausitzer Tiefebene, in die südlich gelegenen Gebirgsgegenden mit ihren steinigen Böden drangen sie nur vereinzelt vor.


Aus Siedlungsresten der Sorben erkannte man kleine Dörfer in Rundlingsform. Die Bauernhäuser standen dichtgedrängt und waren mit einem Giebel zum Dorfplatz ausgerichtet, in dessen Mitte sich der Dorfteich befand. Wurde der Eingang des Dorfes verschlossen, bildete es eine Art Burg. Das Vieh trieb man abends zum Schutz vor Raubtieren und Dieben hinein.



Auf einer Völkertafel, die wahrscheinlich für Missionszwecke beim sogenannten Baierischen Geographen vermutlich im späten 9. Jahrhundert in Regensburg im Kloster St. Emmeram entstanden ist, werden die Milzane, ein slawischer Völkerstamm, mit 30 civitates erwähnt. Unter civitates versteht man Burgen, denen die Funktion von Siedlungs- und Kultmittelpunkten zukam. Als civitas wurde bis zum 12. Jahrhundert ein Hauptort bezeichnet. Erst seit dem 13. Jahrhundert ist dieser Begriff in der Bedeutung von „Stadt“ zulässig.


Im Jahr 928 besiegte Heinrich I. die Slawen im heutigen Sachsen und gründete die Burg und Markgrafschaft Meißen. Die Milzener der Lausitz mussten ihm von da an Tribut zahlen. Kaiser Otto I. gründete 958 die Ortenburg in Budissin (Bautzen) zur Niederhaltung der Sorben. Der Kaiser und seine Nachfolger verliehen den deutschen Rittern als Dank für ihre Kriegsdienste die eroberten Ländereien als Lehen (leihen, geliehenes Gut, vgl. heute Darlehen) (siehe folgender Absatz), verbunden mit umfangreichen Privilegien (Gerichtsbarkeit, Brau- und Schankrecht, Recht zum Betrieb einer Mühle usw.).


Das Lehnswesen war ein politisch-ökonomisches System und bildete die Grundlage der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung. Oberster Lehnsherr war der jeweilige oberste Landesherr, König oder Herzog, der Lehen an seine Fürsten vergab, diese wiederum an andere Adelige, die oft in der Adelshierarchie unter dem Lehnsgeber standen. Der Lehnsherr war der rechtliche Eigentümer von Grund und Boden, der im Gegensatz zum Geld reichlich vorhanden war, oder bestimmter Rechte und verlieh diese dem Lehnsempfänger (Vasall – Lehnsmann, vassus, vasallus = der Knecht) auf Lebenszeit. Dafür musste der Lehnsempfänger dem Lehnsherrn einen Pachtzins entrichten, zum Teil in Geld oder Naturalien oder auch in Form von Mähen, Dreschen, Transport- und Botendiensten und Kriegsdienst, bzw. auch persönliche Dienste leisten, z B. Halten des Steigbügels, Begleitung bei festlichen Anlässen und Dienst als Mundschenk bei der Festtafel. Beide verpflichteten sich zu gegenseitiger Treue und Achtung – der Lehnsempfänger zu Rat und Hilfe und der Lehnsherr zu Schutz und Schirm, er durfte seinen Lehnsempfänger nicht schlagen, demütigen oder sich an seiner Frau oder Tochter vergreifen. Brach der Lehnsherr die Regeln, verlor er sein Obereigentum. Land wurde auch ohne Gegenleistung verliehen, etwa unter Zwang oder um jemandem einen Gefallen zu tun. Der Lehnsgeber blieb zwar der Eigentümer, war aber kein Nutznießer mehr.


Im 12. Jahrhundert besetzten die deutschen Ritter ihre Lehen mit freien Bauern aus Franken, Thüringen, Schwaben und den Niederlanden (Flamen) und teilten das Land in soviel Hufen (siehe folgender Absatz), wie Bauernfamilien angesiedelt wurden. Ein Teil des vom Lehnsherren zur Verfügung gestellten Landes wurde zum Bau einer Kirche, als „Pfarrwiedemut“ zum Lebensunterhalt eines Pfarrers oder als öffentliches Weideland genutzt. Der Gemeindehirte trieb das Vieh der Siedler über den in vielen Orten namensmäßig noch vorhandenen „Viebig“ (Viehweg) auf die öffentliche Weide. Im 13. Jahrhundert ging die Bedeutung des Lehnswesens zurück, da anstelle von Vasallen nun Dienstmannen, gut ausgebildete Männer, eingestellt wurden. In Deutschland erfolgte die Auflösung des Lehnsverbandes 1849.


Die Hufe ist ein altes, relativ großes Flächenmaß vom Anfang des 9. bis ins 19. Jahrhundert, es beträgt 30 Morgen, d.h. ca. 6 – 18 Hektar, wich aber in verschiedenen Gegenden von diesem Wert ab. Das Wort Hufe bezeichnet ein landwirtschaftliches Gut, das mit einem Pflug bestellt werden kann und demnach der Arbeitskraft einer Familie entspricht. Großbauern konnten mit Hilfe von vielen Knechten und mehreren Zugtiergespannen auch 60 oder gar 120 Morgen bewirtschaften.

Die Wörter Hufe und auch Hof sind vom im 12. Jahrhundert lati(ei)nisierten deutschen Wort Huba = Fläche abgeleitet. Auch der Huf der Pferde gehört in diese Wortfamilie. Im Englischen entsprach nach 1066 eine Hufe der Flächeneinheit Oxgang. Ein Oxgang entspricht der Ackerfläche, die ein einziges Ochsengespann im Frühjahr beim Pflügen bewältigen kann. In neu gegründeten Dörfern stehen die Hofgebäude entlang der zentralen Dorfstraße sehr nahe beieinander. Hinter den Häusern besaß jede Bauernfamilie ihre bis zu fast zweieinhalb Kilometer langen, schmalen Agrarflächen (siehe nachfolgende Abbildung), zum Teil mit Wald. Daher gibt es auch den Begriff Waldhufendörfer. Die Hufe blieb in den preußischen Ostgebieten des Deutschen Reiches und in Ostdeutschland bis zur Übernahme des metrischen Systems am 01.01.1872 erhalten.






Solche Hufenfelder entstanden entlang der Siedlung Sitte, was heute noch am Verlauf der Straßen, z. B. Heinrich-Mann-Str., Rietschelstr., Tongasse, Friedrich-Haupt-Str., Rathenaustr., Dr.-Friedrichs-Str., von-Ossietzky-Str., Marschnerstr., Bahnhofstr., Lessingstr., Schillerstr., Goethestr., Dornspachstr., Komturstr., erkennbar ist.


Im 10. Jahrhundert bestand in Magdeburg eine Burgwardorganisation, die mit Umstrukturierungen im Zusammenhang mit der Erhebung Magdeburgs zur Metropolitankirche, d.h. zum Erzbistum, verbunden war. Bei diesen Burgwarden handelt es sich um deutsche Neuschöpfungen und hatten eine völlige Neuordnung und Umgestaltung des betreffenden Gebietes zur Folge, sogenannte Ausbaugebiete, die gerodet wurden.

Im Rahmen eines großangelegten Landesausbaus sollte das Hochstift Meißen im Jahr 1007 „kirchliche Siedlung als Grenzschutz“ betreiben, wie sie im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts durch die Ansetzung von Zisterziensern in Gebieten, deren politische Geographie noch offenstand, praktiziert wurde. So eine Organisation wurde im 11. Jahrhundert auch im Milzenerland eingeführt.


Das Land Bautzen diente als Aufmarsch- und Durchzugsgebiet bei Feldzügen. Deshalb ließ der böhmische Herzog Sobeslav I. zwischen 1126 und 1131 eine Reihe von Burgen in Westböhmen und der östlichen Mark Meißen verstärken bzw. neu errichten, darunter auch Görlitz an der Neiße. Im Jahr 1126 fand bei Kulm eine Schlacht zwischen dem sächsischen König Lothar III. und dem böhmischen Herzog Vladislav statt. In deren Ergebnis gehörten die böhmischen Herzöge zu den zuverlässigsten Bündnispartnern des deutschen Königs.


1158 wurde Herzog Vladislav auch König von Böhmen und nahm die höchste Stellung unter den weltlichen Reichsfürsten ein. Diese neue Würde galt von nun ab für alle Mitglieder der Dynastie, der Premysliden, die bis zu ihrem Aussterben 1306 sowohl Reichsfürsten als auch Könige von Böhmen waren (siehe auch unter Wenzel II). Die Premysliden waren böhmische Herrscher und bestimmten zunächst für ein ganzes Jahrhundert die Geschichte des Landes Bautzen. 1172 trat Vladislav zugunsten der Thronfolge seines ältesten Sohnes Friedrich zurück, der jedoch nicht König wurde. So gab es bis 1198 keinen böhmischen König mehr. Da erst ernannte König Philipp von Schwaben den mittleren Sohn von Vladislav, den Premysl Otakar I., zum König (bis 1230).


Eine Anwesenheit des böhmischen Königs Otakar I. in der Oberlausitz ist schon zum Jahr 1213 belegt. Da beschloss er in Bautzen mit dem Meißner Bischof Bruno II. die Gründung eines Kollegiatstifts. Als königliche Amtsträger wurden Burggrafen und Vögte - advocati genannt - eingesetzt. Solche advocati (Landrichter) amtierten als höchste Beamte des böhmischen Königs und verwalteten das Reichsgut und leiteten das Landgericht in der gesamten Oberlausitz (auch in Löbau). (Advocat heißt heute noch auf deutsch Rechtsanwalt.)


Neben den advocati gab es dann auch die villici, die Verwalter von größeren königlichen böhmischen Güterkomplexen. „Die in Bautzen agierenden Personen entstammten ausschließlich dem böhmischen, teilweise dem mährischen Adel (nobilitas). Darunter befanden sich sogar die höchsten Würdenträger des böhmischen Königs, darunter der Truchseß. Dabei handelt es sich ausschließlich um Landfremde. In einzelnen Fällen wurden solche Burggrafen zu Begründern von Oberlausitzer Herrschaften, so auch die Brüder Heinricus und Chastelaw (Heinrich und Castolov), die vom Adelsgeschlecht von Leipa abstammen, um 1240 Zittauer Burggrafen waren und sich die Herren von Zittau nannten.


Premysl Otakar I. betrieb im Umkreis von Bautzen einen regen Landesausbau und aktive Siedlungspolitik. Der Meißner Bischof Bruno II. von Meißen gründete zwischen 1213 und 1218 bei der Bautzener Pfarrkirche St. Johannis ein Kollegiatstift, welches Otakar I. 1220 in seinen Schutz nahm und seinen Vasallen und Edlen gestattete, dem Stift Land zu übertragen. Zwischen dem Meißner Bischof Bruno II. und den Königen Premysl Otakar I. und Wenzel I. gab es in den Jahren um 1227 Streit wegen der Abgrenzung der bischöflichen und königlichen Besitzungen in den Ländern Budissin und Zagost, die friedlich beigelegt wurden. Bruno wurde wegen seiner rücksichtslosen Vorgehensweise 1228 abgesetzt und starb in diesem Jahr. Die böhmische Königin Kunigunde (gest. 1248), Tochter des Staufers (Adelsgeschlecht) Philipp von Schwaben und seit 1207 Gemahlin des böhmischen Königs Wenzel I., entfaltete in der Oberlausitz eine rege Tätigkeit und stiftete 1234 das Zisterzienserinnenkloster Marienthal bei Ostritz. Damit schufen sich die böhmischen Könige ein weiteres Standbein im Gebiet südlich von Görlitz. Wenzel I. förderte die Ansiedlung von Deutschen in Böhmen und Mähren, um die Landwirtschaft und den Bergbau zu forcieren. Unter ihm entstanden einige königliche Städte und Burgen, er ließ die Dörfer Dobra, Dürröhrsdorf und Helmsdorf vermutlich selbst anlegen nach deutschem Recht (Begriff Dorf) und übereignete dem Kloster Marienthal eine Kirche und einen Wald. Marienthal gehörte seit 1244 zum Prager Bistum. Noch 1833 gehörten dem Kloster Marienthal mehr als 25 Ortschaften und Ortsteile mit insgesamt 16.000 Untertanen.


Das Zittauer Land mit seiner Ansiedlung gehörte bereits im 11. Jahrhundert zu Böhmen. Die älteste schriftliche Erwähnung des Zittauer Landes erfolgte in einer Urkunde des Klosters St. Marienthal am 14.10.1234. Königin Cunegundis von Böhmen schenkt dem Zisterziensorden für das Kloster St. Marienthal und seine Nonnen das Dorf Syfridistorph und schreibt dies in einer Urkunde fest.


Um 1250 gab es Auseinandersetzungen zwischen König Wenzel I. und dessen Sohn Premysl Otakar I., seit 1247 Markgraf von Mähren, einerseits sowie dem böhmischen Adel andererseits. Wenzel I. entglitten zunehmend die Regierungsgeschäfte, was Otakar I. ausnutzte und dessen Amtsträger durch eigene Gefolgsleute ersetzte, so durch den Olmützer Burggraf Crh und dessen Bruder Castolov, die bereits 1236 als die Brüder von Bautzen galten.

Nach dem Tod König Wenzels I. 1253 fiel die Oberlausitz an die brandenburgischen Askanier. Dabei ist bis heute nicht genau geklärt, ob dies durch die schon um 1243 erfolgte Hochzeit Ottos III. von Brandenburg mit der Tochter Wenzels I., der böhmischen Prinzessin Beatrix, geschah oder ob die Oberlausitz von 1253 bis 1319 nur als Pfand diente. In einer Urkunde des Meißner Bischofs Witego von 1272 wird auf den böhmischen König (Premysl Ottokar II.) Bezug genommen. Im Juni 1262 urkundete Ottokar II. erstmals für die Oberlausitz und hier wiederum für Marienthal.


Wenzel I. wird als Sonderling beschrieben und verlor einmal bei einer Jagd ein Auge und bekam den Beinamen „der Einäugige“


Nach dem Übergang des Landes Bautzen an die Brandenburgischen Markgrafen zwischen 1253 und 1262 blieben Stadt und Land Zittau bei der Krone Böhmen. Zittau nahm jetzt die Stelle ein, die zuvor die civitas Bautzen für die böhmischen Herrscher im äußersten Norden des böhmischen Königreichs besessen hatte und wurde in der Folgezeit von den böhmischen Herrschern besonders häufig privilegiert. Den Anfang machte 1255 König Premysl Ottokar II., er ließ Zittau befestigen, erhob Zittau zur königlichen Stadt und befreite die Stadt für die Dauer seines Lebens von Steuern und die Zittauer Kaufleute vom Zoll in ganz Böhmen und förderte den Landesausbau. 1266 wurde Ottokar II. von König Richard zum Reichsvikar der Gebiete östlich des Rheins ernannt.


1346 schlossen sich mehrere Städte und Zittau zum Sechsstädtebund zusammen, und 1412 erreichte die wirtschaftliche Entwicklung einen Höhepunkt. Mit König Wenzel (nicht Wenzel II.!), Sohn und Nachfolger vom Kaiser Karl IV., zog die Landvogtei in Zittau ein und übertrug sie dem Landvogt der Oberlausitz in Bautzen. Damit war Zittau von Böhmen losgelöst und mit der Oberlausitz vereinigt.


Die Präsenz Ottokar II. wurde sogar noch im Jahr 1345 durch die Nennung der im königlichen Wald bei Zittau ansässigen Förster hervorgehoben, die als königliche Amtsträger die Aufsicht über den königlichen Forst im Gebiet von Zittau führten, den König Johann von Böhmen damals den Bürgern von Zittau geschenkt hatte.




König Ottokar II., ohne Jahresangabe



König Ottokar II., ohne Jahresangabe


Er wurde 1230/1232 (verschiedene Angaben) als Sohn des Wenzel I., König und Herzog von Böhmen (geb. 1205 in Prag, gest. am 22.09.1253 auf seinem Hof Pocaply bei Beroun) und der Stauferin (schwäbisches Adelsgeschlecht) Kunigunde von Schwaben (geb. 1199, gest. 13.09.1248) geboren.


Er hatte einen Bruder Vladislav III. (geb. um 1228, Markgraf von Mähren), eine Schwester Beatrix (geb. um 1225, gest. 27.05.1290, verh. 1243 mit Markgrafen Otto III. von Brandenburg), eine Schwester Agnes (geb. 1245, gest. 10.10.1268, Markgräfin von Meißen, verh. 1244 mit Heinrich Markgraf von Meißen) und eine bereits im Kindesalter verstorbene, namentlich nicht bekannte Schwester.


Ottokar II. sollte ursprünglich zum kirchlichen Verwalter erzogen werden, aber als 1247 sein Bruder Vladislav III. starb, ging dessen Erbe auf Ottokar II. über und er wurde am 31.12.1247 zum „jüngeren“ König erhoben. Von diesem plötzlichen Tod war Ottokar II. so sehr schockiert, dass er sich zunächst kaum dem Regieren widmete, sondern eher der Jagd und Saufgelagen auf seinen Jagdschlössern. 1248 stand er im Konflikt mit seinem Vater und führte einen Aufruhr gegen ihn und dessen Herrschaft an. Hier erhielt er den Spitznamen „der jüngere König“. Nur mit Mühe und Hilfe außerböhmischer Freunde konnte dieser Streit erst nach zweijährigen bewaffneten Auseinandersetzungen zugunsten Wenzels I. beigelegt werden. Wenzel I. fiel 1250 in Österreich ein (oder wurde gerufen), setzte Ottokar II. als Statt(dt)halter ein und schloss mit ihm einen Friedensvertrag, wodurch Ottokar II. 1251 zum mährischen Markgraf und Herzog von Österreich wurde.


Am 11.02.1252 heiratete Ottokar II. die gut dreißig Jahre ältere Margarete von Babenberg, Österreich, (geb. 1205, gest. 1267), Witwe des Königs Heinrich VII. und Schwester des Babenherzogs Friedrich II., weil die Babenberger in männlicher Linie ausgestorben waren und Ottokar II. der böhmischen Forderung auf das Erbe dieser Linie gerecht werden wollte. Im Juli 1260 schlug er in einer Schlacht die Ungarn und erhielt den Besitz und die Herzogwürde der Steiermark. Um diese Einigung zu bekräftigen, ließ er sich von Margarete scheiden und heiratete 1261 Kunigunde von Tschernigow, Machow, (geb. 1246, gest. 1285), eine Enkelin von König Bélas IV. von Ungarn.


Ottokar II. war ab 1253, nachdem sein Vater starb, auch König von Böhmen, ab 1261 Herzog der Steiermark und ab 1269 Herzog von Kärnten und Krain. Damit hatte er eine für einen Premysliden zuvor und später nie erreichte Machtfülle als Reichs- und Kurfürst erlangt. Er bewarb sich sogar 1256 und 1273 um die Krone des Heiligen Römischen Reiches, wo er aber an der Wahl nicht persönlich teilnahm, sondern davon überzeugt war, dass sein Reichtum genügen würde, um diesen Titel übertragen zu bekommen. Zu seinen Ehren erhielt z. B. das 1255 gegründete Königsberg seinen Namen. Ottokar II. unternahm mehrere Kreuzzüge, förderte die Einwanderung der Deutschen in Böhmen und Mähren und gründete zahlreiche Städte. Ottokar war ehrgeizig, ungeduldig und wurde später auch der „eiserne“ und „goldene“ König genannt.



Einflussbereich Ottokar II. zwischen 1253 und 1271


Vielen Kurfürsten wurde Ottokar II. zu mächtig und sie wählten deshalb 1273 einen neuen König im Reich, den vermeintlich „armen Grafen“ Rudolf von Habsburg. Ottokar II. erkannte die Wahl nicht an. Er sollte angeeignete Reichsterritorien und eigenmächtig besetzte Reichslehen wieder herausgeben, was er verweigerte. In einer Reichsgerichtsverhandlung unterlag Ottokar II. und verlor die letzte Unterstützung im Reich, in den benachbarten Territorien und teilweise vom Adel. Es brach sogar ein Aufstand aus und Ottokar II. war gezwungen, 1276 auf alle Erwerbungen zu verzichten, bis auf Böhmen und Mähren. Er wollte seinen Herrschaftsraum mit Waffengewalt wieder herstellen und wurde am 25.08.1278 in der Schlacht bei Dürnkrut auf dem Marchfeld (Niederösterreich) von Rudolf von Habsburg und den verbündeten Ungarn geschlagen und unmittelbar nach der Schlacht noch auf dem Schlachtfeld auf der Flucht getötet (siehe nachfolgendes Bild von Josef Mathauser, 1846 - 1917).



Tod von König Ottokar II. auf dem Schlachtfeld bei Dürnkrut 1278



Die erste Ehe von Ottokar II. mit Margarete von Babenberg blieb kinderlos. Mit der zweiten Ehefrau Kunigunde hatte er 4 Kinder: Heinrich (geb. 1262, gest. 1263), Kunigunde (geb. 1265, gest. 27.11.1312), Agnes (geb. 1269, gest. 1296) und Wenzel (Prinz Wenzel, später König Wenzel II.) (geb. 1271, gest. 1305). Mit der Hofdame Anna (Margarete?, Agnes?) von Chuenring hatte er 7 illegitime Kinder: Nikolaus (geb. 1254/5, gest. 25.07.1318), Johann (Probst bis 1296), Agnes (keine Angaben), eine Tochter (ohne Angaben), eine Tochter (verh. ca. 1276), Elisabeth (verh.) und eine Tochter (verh. 1277).


Ab diesem Zeitraum wird auf die weitere Entwicklung der Oberlausitz hier nicht mehr eingegangen.


Entstehung der Stadt Zittau


Im Mittelalter führte eine (von zwei) alte Handelsstraße über das Lausitzer Gebirge, entlang des heutigen Zittauer Westparks – die heutige Äußere Weberstraße, nach Leipa in Böhmen. Im Gebiet des Westparks befand sich ein sorbischer Weiler (Sorben sind westslawische Bewohner). Ein Weiler ist eine aus wenigen Gebäuden bestehende Wohnsiedlung, die größer als eine Einzelsiedlung (z. B. Gehöft, Mühle, Gasthaus), aber kleiner als ein Dorf ist, und die keine geschlossene Bebauung und kein Gebäude mit zentraler Funktion (z. B. Kirche, Gasthaus) hat. An dieser Straße unweit des Weilers und noch weit außerhalb der später entstehenden und sich entwickelnden Stadt mit ihren Mauern entstand auf einem Berg, dem heute noch so genannten Burgberg, zwischen dem Burgmühlgraben, der Mandau und dem Burgteich die erste Bebauung des Ortes Zittau mit einer Burg. Diese Stelle markiert ein nach unten gerichteter Pfeil im unteren Bild. Die Burg wurde am Ende des 10. Jahrhunderts, als die erste deutsche Ostexpansion über das slawische Siedlungsgebiet rollte und auch den Zittauer Raum erreichte, von den deutschen Rittern, die dieses Gebiet erobert und vom Kaiser Otto I. zum Dank als Lehen erhielten, als Herrensitz gebaut (siehe S. 3 u. 4).




„Zittau um 1238 – drei Siedlungen an der Stelle des heutigen Zittau“ (hell eingezeichnete Häuser, die dunklen Striche markieren die spätere Stadt)

(Quelle: Städtisches Museum Zittau, Zeichnung auf Holztafel)


Der Lehnsherr hatte das Recht zur Ernennung des Richters, dessen Amt auch den Betrieb eines Kretschams (böhmisch Krema (auf deutsch Gasthaus), Karczam = das Gericht) und einer Mühle beinhaltete. Es war Sitte, Kretscham und Mühle außerhalb einer Stadtbefestigung zu errichten, wo sie aber zu ungeschützt und dem umherstreifenden Raubgesindel ausgeliefert waren. Zum Schutz jedoch baute man sie in Rufweite der Burg. Diese Burgmühle als Haus existiert heute noch, aber ohne Mühlrad. Der Gebirgskretscham war ein wichtiger Rastplatz und Nachtlager für Fuhrleute, Händler und Reisende, die den beschwerlichen Weg über die Gebirgspässe von und nach Böhmen und dann weiter nach Schlesien, Leipzig oder Nürnberg nahmen, und bot Schutz vor dem Raubgesindel und vor Bären, Luchsen und Wölfen, die bis ins 17. Jahrhundert nicht selten waren. Heute steht an dieser Stelle die heutige Gaststätte „Burgteich“ mit Gondelfahrt. Am Westpark zeugen heute noch die Straßennamen Am Burgmühlgraben, Alte Burgstraße und Neue Burgstraße von den alten Zeiten.


Noch im Jahr 1778 war der Burgberg so groß, dass man dort 32 Kanonen aufstellen konnte. In späteren Jahren wurden diese Burg und der Berg von Zittauer Kleingärtnern der Freudenhöhe abgetragen und als Baumaterial für ihre Gärten benutzt. Nur ein winziger Hügel, der selbst für eine Schlittenfahrt zu klein ist, blieb übrig, worauf heute noch ein schlichter Gedenkstein mit der Innschrift „Hier entstand Zittau“ an die erste Besiedlung erinnert.




In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, während der zweiten deutschen Ostexpansion, wanderten deutsche Siedler von Norden her in das Vorland des Zittauer Gebirges ein, wo sie mehrere Waldhufendörfer anlegten. Östlich des Westparks, im Bereich der heutigen Äußeren Weberstraße in Richtung der heutigen Stadt (im obigen Bild Pfeil nach rechts), der Inneren Weberstraße, Frauenstraße, Rosa-Luxemburg-Straße bis zur Görlitzer Straße gründeten sie Anfang und Mitte des 13. Jahrhunderts ein Waldhufendorf namens Sitte (von Sittavia hergeleitet), wurde noch lange Zeit die „alte Sitte“ genannt) und eine weitere Hufensiedlung im Osten der Stadt bei der Frauenkirche, das Herrendorf (im obigen Bild Pfeil nach oben), genannt nach den Herren des Johanniterordens, der zu jener Zeit dort einen Komturhof gründete.


Zwischen den beiden Siedlungen Sitte und Herrendorf, im Gebiet des Marktplatzes, wuchs zu jener Zeit ein Handelsplatz und eine von den deutschen Siedlern angelegte städtische Siedlung Sittavia (im obigen Bild dicker Pfeil in der Mitte) heran. Aus Hochwasserschutzgründen entstand die Siedlung nicht am Burgberg, sondern weiter östlich und höher gelegen.

Die erste schriftliche Erwähnung der Siedlung Zittau erfolgte am 21.06.1238 in einer Urkunde des Klosters St. Marienthal, in der es um einen Gründertausch zwischen König Wenzel I. und der Johanniterniederlassung Prag geht. Hier traten die Burgherren Brüder Castolov und Henricus von Sitavia als Zeugen auf.


Um 1215 entwickelte sich unter König Ottokar I. diese städtische Ansiedlung Sittavia weiter zum Marktflecken Vor-Zittau mit einer ersten Wehrmauer. (Palisaden) (laut Aufzeichnungen des alten Zittauer Geschichtsschreibers Johann von Guben, der seit 1363 tätig wurde) (nachfolgende Zeichnung).






Der Begriff Wehrmauer ist irritierend, da dies keine Mauer aus Stein war. Diese Ansiedlungen bestanden nach der Art böhmischer Rittersitze aus einigen einfachen Gebäuden aus Holz und Lehm, die durch einen umlaufenden Erdwall mit Zaun oder Palisaden geschützt wurden. (Quelle: „Zittau – Enzyklopädie“, PlusPedia)



Rekonstruktion einer mittelalterlichen Palisade, von Düppel


Der Verlauf des Marktfleckens mit Palisaden war so: „die Gasse Wend hinter der Creutziger Hof zu dem Weber-Thore und von dem Weber-Thore bis zu der Judenburg gerichte zu der Clobin-Gasse hinter den Fleischbäncken, ob den neuen Marckt, wieder zu der Creutziger Hof“. „dieselben Wohnungen ward umzäumet, mit viel Zeumen“. Die Worte „ob den neuen Marckt“ haben bedeutet: ohne dem neuen Markt, sprich ohne Neustadt. Die Palisaden standen hinter den Fleischbänken, dann nach links die Reichenberger Str. entlang, über den Rathausplatz, die Brüderstr. hoch und wieder zum Kreuzkirchhof. Der „neue Marckt“, um diese Zeit auch Neumarkt genannt, hatte nichts mit dem eigentlichen Marktplatz innerhalb der Palisaden, also in der (nun) „Stadt“ zu tun und entstand außerhalb der Palisaden als Handelsplatz. Dieser Neumarkt wurde nach und nach ringsherum mit Häusern (Holz) bebaut.