zweikronenhaus zittau

Chronik

Angelika Wuensche 2011 - - 3


Die Siedlung Sittavia, gelegen an zwei nach Prag führenden, alten Handelswegen, der Gabler Straße (Lückendorfer Pass) und die Leipaer (Liperecer) Straße (überquerte das Gebirge beim Oybin), lag damals an strategisch günstiger Position zwischen Böhmen und der gerade brandenburgischen Oberlausitz. Ottokar II. wurde 1247 zum „jüngeren König“ gewählt. Danach (keine genaue Zeit angegeben) durchquerte er während eines Kreuzzuges nach Ostpreußen in Begleitung des Markgrafen Otto von Brandenburg und des Bischofs Bruno von Olmütz die (um 1215 unter Ottokar I. gegründete) Siedlung Sittavia mit Palisaden. Ottokar II. (laut Guben) ritt ganz nah an den Palisaden um die Stadt herum und „prüfete und merckte die fruchtbare Gelegenheit dieser“ Siedlung „und satzt aus diese“ Siedlung zur „Stadt“. Das heißt, dass er das Stadtrecht verlieh, aber noch keine Privilegien.


Etliche Zeit später, wahrscheinlich 1254, bestand sein Anliegen darin, eine starke, wehrhafte Siedlung als Schutz gegen eventuelle Überfälle auf das böhmische Kernland zu haben und auszubauen. Da stellte Ottokar fest, dass es mehr und mehr Einwohner und Gäste wurden, und er überlegte, wie er die Stadt erweitern und ummauern lassen kann.


Dann, 1255, erhob Ottokar II. die „Stadt“ zur königlichen Stadt und begab sich mit einem Pferd und Pflug sowie Gefolge, vielleicht auch mit den Herren Henricus und Castolaus von Zittau, auf einen zweiten Umritt um die Stadt (folgendes Bild), der aber in alle Himmelsrichtungen viel weiter gefasst war als der erste, und bestimmte, dass in der entstandenen Ackerfurche mit einem Umkreis von 2956 Schritt die neue, weitere Stadtgrenze verläuft - der heutige Altstadtkern mit der Neustadt innerhalb des Grünen Ringes.



König Ottokar II. bestimmt durch seinen Umritt den Umfang Zittaus.

Ausschnitt (Hauptbild) aus einem mehrteiligen Gedenkblatt zum 600jährigen Jubiläum der Stadt Zittau 1855, Kolorierte Lithographie von Gustav Berthold, Schriftsteller und Maler aus Oberoderwitz (10.02.1818 – 14.03.1894)


Seine Gefolgsherren hatten Bedenken, dass die neue Stadtgrenze zu weit gezogen sei. Der König antwortete, dass er die Stadt mit verschiedenen Rechten begnaden und mit mehr Einwohnern besetzen wolle. So verlieh König Ottokar II. der Stadt Zittau einige Privilegien: Er gewährte der Stadt bis zum Ende seiner Lebenszeit Steuerfreiheit, er erließ den Zittauer Kaufleuten im Handel mit Böhmen jeglichen Zoll, stattet Zittau mit einem Landgericht aus und erteilte das Recht, Münzen zu prägen. Dieses Recht musste im Jahr 1300 König Wenzel II. an die böhmische Silberstadt Kuttenberg (Kutnàttora) verleihen. König Ottokar II. verlieh weiterhin das Markt-, das Stapel- und das Braurecht sowie das Recht zur Ernennung von Handwerkern. Das Stapelrecht sagt aus, dass die in Zittau ankommenden Waren zuerst den Zittauer Stadtbürgern angeboten werden mussten, bevor die Landbevölkerung kaufen durfte. Diese Vorteile ermöglichten Zittau ein rasches Aufblühen als Handelsstadt, und der Transithandel, das Tuchmacherhandwerk, die Leineweberei und Bierbrauerei brachten baldigen Reichtum. Schon in den Jahren von 1270 bis 1280 konnten als Beweis für den Wohlstand große Turniere abgehalten werden.




Danach, 1255, eine Quelle sagt sogar erst 1263, begann eine rege Bautätigkeit zur Errichtung der steinernen Ringmauer, die im Laufe der nächsten ca. 20 Jahre mit 10 m Höhe, 3 m Breite, 13 Basteien (Bastionen), 11 Türmen und 4 Stadttoren fertiggestellt wurde (Bauzeit: 1255 – 1273/77/78) (siehe nachfolgendes Bild). Einige Zeit nach dem siebenjährigen Krieg beschloss man, sie wieder abzutragen. Damit wurde 1820 begonnen, was bis 1869 andauerte.


Christian Weise schrieb 1686 ein Geschichtsdrama „Historie vom König Wenzel“, in welchem er sich zur Stadtgründung von Ottokar II. so äußerte:

„… diese Gegend auff dem Zittauischen Gebürge zu bekrönen pflegt. Das ist die Gegend / darein sich der tapffre König OTTOCARUS verliebte / daß er auch an dem Zusammenflusse der Mendau und der Neisse eine Stadt wolte gebauet wissen. Das ist die Gegend / da sich dessen königlicher Sohn WENCESLAUS mit grössrer Gnade gewiesen hat. Und es lassen sich die alten Wolthaten desto angenehmer bedencken / je gewisser das Durchlauchtige Chur-Hauß Sachsen dazu gebohren ist / daß die Wohlthaten der alten Zeit jemehr und mehr selten verjünget und PERFECTIONIret werden.“


Die zwanziger Jahre des 18. Jahrhunderts waren die Blütezeit Zittaus. Da gestaltete man das Webertor besonders repräsentativ. Man verstärkte das untere Mauerwerk und setzte einen massiven viereckigen Turm auf. Auf die Ecken der Brüstung wurden 1718 vier vergoldete, große, steinerne Standbilder gesetzt, eine davon war der Stadtgründer König Ottokar II.



Ottokar II. - Ausschnitt aus einem mehrteiligen Gedenkblatt zum 600jährigen Jubiläum der Stadt Zittau von Gustav Berthold, Schriftsteller und Maler aus Oberoderwitz (10.02.1818 – 14.03.1894), 1855


In Erinnerung an den Ritt um die Stadt und den Erlass der Privilegien wird heutzutage zu großen Festen und Jubiläen der Stadt der Zittauer Königszug veranstaltet.





Die Stadt mit Stadtmauer, mit der Neustadt und dem Haus Neustadt Nr. 35 (Pfeil):



„Die Stadt Zittau in Oberlausitz, wie sie anno 1632 vom Obr. Golzen fortificirt worden, samt der Belagerung anno 1643“, Plan der Stadt Zittau, Kupferstich von Matthäus Merian, 1643


Als die Stadt 1255 noch von Palisaden eingezäunt war, entwickelte sich östlich davon ein marktähnlicher Platz, der ursprünglich als Verbindungsstraße zwischen dem Böhmischen Tor im Süden, dem Frauentor im Osten und dem Klosterplatz im Norden diente, noch nicht mit zur Stadt gehörte, den man zu der Zeit Neustadt nannte und um 1300 auch Neumarkt. Auf ihm, auch an dessen Nord-Ost-Seite, befanden sich bereits einfache Wohngebäude, Stallungen und Scheunen aus Holz und Lehm, zu denen Wiesen und Ackerland gehörten, die entstanden sein könnten, als sich die Siedlung Sitte weiter zur Görlitzer Straße hin entwickelte. Zittau hat 4 Stadtviertel, eins davon ist das Frauenviertel, zu dem die Neustadt gehört. Sie gliedert sich in die untere (Salzhaus) und die obere Neustadt. Die Nordseite der oberen Neustadt hat eine interessante Geschichte.


In den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts entstand im Gebiet der Oberlausitz auch die Stadt Leipa an dem alten Handelsweg über das südliche Gebirge, der uralten Hohen Straße. Die Herren von Leipa gingen aus dem böhmischen Adelsgeschlecht Ronow hervor. Ein Abkömmling der Herren von Ronow (Hronovice) und der Begründer des Geschlechts von Leipa war der aus Sittaw stammende je Smil Svetlicky (geb. 1188, um 1205 Herr auf Tuhan, seit 1211 Burggraf von Glatz, gest. 1216).



Seine Söhne waren Heinrich I. (geb. 1216, 1234 Burggraf von Görlitz, nachweislich 06.11.1248 Burggraf von Zittau, gest. 1252) und Castolov I. (geb. 1216/19, Burggraf von Zittau, gest. 1253), er nannte sich auch Castolov de Sittavia. Sie wurden die Herren von Leipa genannt.


Die Familie von Leipa war den Premyslidenkönigen sehr eng verbunden, bekleidete hohe Ämter am böhmischen Hof in Prag und verwaltete das Zittauer Land von 1238 – 1263. Die Brüder Heinrich I. und Castolov I. tauchten in einer Urkunde des Klosters St. Marienthal vom 21.06.1238, in der es um einen Gründertausch zwischen König Wenzel I. und der Johanniterniederlassung Prag geht, als Zeugen auf.

Um 1230 errichteten Heinrich I. und Castolov I. eine Herrschaft in Zittau und waren somit auch die Burggrafen von Zittau und nannten sich die Herren von Zittau.


Heinrich I. war wahrscheinlich der Initiator dafür, dass zwischen 1244 und 1260 die Franziskaner, ein Bettelorden, hierher kamen, wobei die Bedeutung der Stadt wuchs (es heißt, dass sich die Franziskaner nur in Städten ansiedelten).


Heinrich I. hatte einen Sohn: Smilo (geb. u. gest. ?), Ritter von Lichtenburg, der sich noch 1250 Smilo de Sittavia nannte. Er stand beim König Wenzel I. und König Ottokar II. besonders hoch im Ansehen, trat sehr oft in Urkunden als Zeuge auf und repräsentierte auch den Adel des Zittauer Gebietes.

Heinrich I. starb 1252 und Castolov I. 1253.

Der Nachkomme von Heinrich I., Smilo de Sittavia, wirkte aber weiter in Zittau und übernahm das Amt des Burggrafen. Er stand beim König Ottokar II. hoch im Ansehen, wurde in einer Urkunde von 1258 des Königs genannt und trat oft als Zeuge in Urkunden auf.


Mit der Erhebung Zittaus 1255 zur königlichen und landesherrlichen Stadt verlor die Familie von Leipa hier an Bedeutung und gab die Hofstatt (als Stätte des Hofes), aber nicht ihre Anwesenheit hier, auf.


Smilo de Sittavia hatte 2 Söhne: Heinrich II. (geb. 1296, gest. 26.08.1329) und Chwalo (geb. ?). Heinrich II. war seit 1300 oberster Marschall des böhmischen Königreichs. Ihm wurde 1305 kurz vor dem Tod von König Wenzel II. das Land Zittau als Afterlehen übergeben. 1316 kam es zwischen Heinrich II. und König Johann von Böhmen zu Auseinandersetzungen um die Herrschaft, in deren Ergebnis 1319 Johann Stadt und Land Zittau tauschweise erhielt. Heinrich II. war so zwischen 1305 und 1319 der eigentliche Herr des Landes Zittau. Heinrich II. verblieben jedoch in Zittau weiterhin gewisse Lehnrechte und Roßdienste, die nach seinem Tod seinen Verwandten, dem Propst Bertold von Wyschehrad sowie Czenko von Leipa und dessen Brüdern, übertragen und 1339 bestätigt wurden. Heinrich II. blieb dieser Landschaft verbunden, so wurde seine Tochter 1323 Nonne im Zisterzienserinnen-Kloster Marienthal. Ihm gehörte damals auch Olbersdorf, er besaß Zinsanteile in Ekardisdorf (Eckartsberg), die er 1312 an das Kloster Marienthal vermachte. Er war bis 1329, seinem Todesjahr, oberster Kämmerer Böhmens.


Das Geschlecht der von Leipa starb 1682 mit Cenek aus.


An der Stelle, wo heut die Klosterkirche steht, wurde 1109, zu Zeiten Heinrichs II. der Jüngere von Erlenburg (um 1103 – 1123), Markgraf von Meißen, der Ostmark und der Lausitz, das „Kirchlein Sant Niclas“ gebaut. „Sie nahmen ankommende Mönche freundlich auf und gaben ihnen in der ersten Zeit Unterkunft und ihre kleine Hofkapelle (St. Niklas) zur Nutzung für ihre Andachten“. 1206 hatte der Franziskanerorden hier seinen Anfang, und das Kirchlein wurde diesem zugeführt. 1226 erfolgte die Gründung des Predigerordens (Dominikaner). 1244 siedelten sich dort Franziskanermönche, Minderbrüder, an und gründeten eine Niederlassung.


1256 gründete die Familie von Leipa, Zdislaw von Leipa und seine Frau Agnes von Zoyna, Besitzerin von Sittaw und Burg Ronow, hier das Franziskanerkloster. 1268 stifteten sie das Kloster den Franziskanern und schenkten ihnen u. a. ihren Wirtschaftsgarten (jetziger Klostergarten). Dieses Franziskanerkloster wurde 1522 aufgelöst, nachdem sich die Zittauer Bürger schon 1521, mit als erste in Sachsen und Deutschland, für die Reformation eingesetzt hatten. Viele der Mönche blieben hier noch wohnen, der letzte starb 1554.


Die Herren von Zittau wirkten im Franziskanerkloster, hatten aber ihre Wohnstätten, ihren Burggrafenhof, an einer benachbarten Stelle, in Häusern an der Nord-Ost-Seite der Neustadt, an der Stelle, wo sich heute auch das Haus Neustadt Nr. 35 befindet. Deshalb wurde diese Häuserreihe vor und um 1278 die Hofstatt (eine Stätte des Königshofes) genannt, sogar noch bis ins 19. Jahrhundert hinein (mitunter auch Hofstadt geschrieben) (folgendes Bild).



Ausschnitt aus vorigem Bild „Die Stadt Zittau in Oberlausitz, wie sie anno 1632 vom Obr. Golzen fortificirt worden, samt der Belagerung anno 1643“


Die hier angegebenen Nummern sind alte Hausnummern. Bei der Hofstadt müsste die Nr. 201 stehen. Um 1473 bis ca. 1700 nannte man die obere (rechte) Neustadt (heutige Sparkasse) auch Kugelzipfel. Die Schulgasse ist die heutige Schulstraße. Das Goldgäßchen verschwand im Zuge von Abrissarbeiten auf dem Klosterplatz.


Zur Hofstatt ist überliefert, dass sich Ottokars II. Sohn, Prinz Wenzel, später König Wenzel II., ab dem Spätsommer 1279 für einige Zeit hier aufgehalten haben soll. Es gibt verschiedene Zeitangaben, so z. B. während einer Durchreise, mehrere Monate oder drei Jahre, die alle nicht bewiesen sind.


Der Sohn von Ottokar II. und dessen zweiten Ehefrau Kunigunde von Tschernigow, Prinz Wenzel, wurde am 17.09.1271 auf der Prager Burg geboren und als einziger legitimer Erbe eines Territoriums vom Riesengebirge bis zur Adria sehnsüchtig erwartet.



Prager Burg


Ottokar II. stand mit dem römisch-deutschen König Rudolf I. von Habsburg in Konflikten, woran Ottokars II. Reich zerbrach. 1273 lehnte Ottokar II. dessen Wahl zum König ab und wollte seine Länder nicht als Reichslehen hergeben. 1275 erklärte ihm Rudolf I. die Feindschaft, die 1276 in einem bewaffneten Zusammenstoß eskalierte. Ottokar II. unterlag, verlor alle Territorien, bis auf seine Erbländer Böhmen und Mähren, und musste Rudolf I. zwei Kinder versprechen. Ottokars II. Frau Kunigunde wurde zur Ehefrau für Rudolfs I. Sohn Hartmann bestimmt und Prinz Wenzel sollte eine Tochter von Rudolf I., Guta, heiraten. Wenzel und Guta wurden bereits 1278/79 als Siebenjährige verlobt, möglicherweise auch schon verheiratet. Dennoch verschlechterte sich die Beziehung der beiden Herrscher weiter und endete mit einer Schlacht auf dem Marchfeld bei Dürnkrut (Österreich) am 26.08.1278. Bevor diese Schlacht begann, bestimmte Ottokar II., dass für den Fall, dass er in der Schlacht fallen sollte, sein Neffe, Markgraf Otto IV. von Brandenburg, die Vormundschaft über seinen Sohn Wenzel II. erhalten soll. Ottokar II. wurde dann tatsächlich am Ende der Schlacht noch während seiner Flucht getötet, und Markgraf Otto IV. von Brandenburg erhielt die Vormundschaft über Wenzel.




König Przemysl Ottokars Sohn Wenzel bittet Rudolf von Habsburg um die Leiche seines 1278 in der Schlacht bei Dürnkrut gefallenen Vaters,

von Anton Petter, 1826, Öl auf Leinwand, Wien, Österreichische Galerie


Als mit dem Tod von Ottokar II. ein Machtvakuum in Böhmen entstand, bat die Witwe Kunigunde, die zusammen mit Wenzel II. weit weg von Prag auf Schloss Hradec lebte, Markgraf Otto IV. von Brandenburg um Unterstützung. Otto IV. zog mit Verbündeten und mit einem mehrere hundert Mann starken Heer in Böhmen ein. Dessen Regentschaft entwickelte sich aber schnell zur Schreckensherrschaft, er plünderte das Land, eignete sich königliche Güter an und drangsalierte die Bevölkerung. Wenzel musste seinem Vormund, dem Markgrafen Otto IV. von Brandenburg, der die Vormundschaftskosten sehr hoch berechnete, mehrere Städte und Schlösser, darunter auch Zittau und Oybin, verpfänden. Trotzdem wurde Otto IV. nach Verhandlungen mit Rudolf I. von Habsburg im Oktober 1278 als Vormund für Wenzel und als Herrscher über Böhmen bestätigt. In der Zeit von 1278 – 1283 nahm sich der Kaiser und König Rudolph von Habsburg (1218 – 1291) des bedrängten Prinzen Wenzel an und hob jene Verpfändung wieder auf. Otto IV. hatte nun Kunigunde, den Adel und die Geistlichkeit gegen sich. Es formierte sich Widerstand unter Führung des Burggrafen Zavis von Falckenstein aus dem einflussreichen südböhmischen Geschlecht der Wittigonen. Kunigunde ging mit Zavis ein Liebesverhältnis ein.





Zawisch von Falkenstein


Um seine Macht abzusichern, ließ Otto IV. im Januar 1279 Prinz Wenzel aus Kunigundes Residenz in der Stadt als Geisel in die Prager Burg bringen und am 04.02.1279 zusammen mit Kunigunde auf die Burg Bezdez. Kunigunde wurde nicht als Gefangene gehalten und durfte nach ca. 2 – 3 Monaten ihre Witwengüter in Richtung Troppau aufsuchen. Wenzel blieb in Ottos IV. Gewalt in Bezdez und litt unter der Trennung von der Mutter sehr. Im Spätsommer 1279 brachte Otto IV. Wenzel in die Askanierburg nach Spandau bei Berlin, wo sie Ende Dezember eintrafen und wo er bis 1282 blieb. Diese Reise führte auch über Zittau.



Burg Bezdez


In den Jahren 1281 – 1282 trat eine der schlimmsten Hungersnöte des Mittelalters und großes Chaos im Land Böhmen ein, verursacht durch andauernde Kämpfe und zwei Missernten. Der Adel und die Kirche, Kunigunde und Zavis nahmen im Frühjahr 1282 Verhandlungen mit Otto IV. auf, um den König Wenzel II. wieder zurückzuholen und die bedrohliche Situation abzuwenden. Diese scheiterten aber an der zu hohen Lösegeldforderung von Otto IV in Höhe von 15.000 Pfund Silber. Er brachte Wenzel nach Prag und verlangte noch zusätzliche 20.000 Pfund Silber. Dann wurde Wenzel für ein Jahr nach Dresden an den Hof des Markgrafen von Meißen gebracht. Erst als dem Otto IV. ein Teil Nordböhmens als Pfand versprochen wurde, zog er die brandenburgischen Besatzungstruppen ab und ließ Wenzel im Dezember 1282 wieder frei. Damit ging die Vormundschaft von Otto IV. auf Zavis von Falckenstein über.


Über die Zeit Spätsommer 1279 bis Dezember 1282 werden auch andere Geschichten berichtet, die aber auf sehr vagen Vermutungen basieren. Da Wenzel im Geheimen von einem Ort zum anderen gebracht wurde, wussten die Menschen bald überhaupt nicht mehr, wo sich denn nun Wenzel tatsächlich befindet. So entstand die Geschichte, die nicht urkundlich belegt ist, dass Wenzel während dieser Zeit in Zittau gelebt habe.


Vielleicht war es so, dass Wenzel im Spätsommer 1279 während der Reise nach Spandau mit seinem Vormund, Otto IV., in Zittau Halt machte. In Abständen von einer Tagesreise war man auf ein Nachtlager angewiesen. Wenzel wurde auf der Hofstatt bei der Familie von Leipa, bei Heinrich II. de Zittawia, im Burggrafenhof, der zunächst noch nicht abgerissen war, untergebracht, wohl in dem Haus an der Stelle, wo heute das Haus Neustadt Nr. 35 steht.


Es kann auch anders gewesen sein. Als Otto IV. Wenzel nach seiner Befreiung im Dezember 1282 wieder nach Prag zurückbringen wollte, hat er ihn nicht gleich nach Prag gebracht, sondern zurückbehalten. Damit wollte Otto IV. erreichen, dass seine Lösegeldforderungen erfüllt werden. So hoffte Otto IV. von Monat zu Monat, dass er das Geld bekommen würde und Wenzel nach Prag zurückbringen könnte. Bis dahin hielt er ihn weiter in Gefangenschaft und ließ ihn in Zittau, wahrscheinlich „im Haus Neustadt Nr. 35“, „aufbewahren“ bis zum Mai 1283. Demnach hätte Wenzel ein halbes Jahr hier gelebt. Wenzel war wohl mit der in Zittau verlebten Zeit zufrieden. Das Haus wurde daraufhin mit einer Krone geschmückt, die in späteren Jahren noch vergoldet wurde.


Wenzel kehrte am 24.05.1283 (noch 11-jährig) nach Prag zurück, wo er begeistert gefeiert wurde, aber noch nicht selbständig regieren konnte. Die adlige Gruppe, die sich für seine Freilassung eingesetzt hatte, teilte die höchsten Hofämter untereinander auf. Hofmeister und damit Erzieher und Vertreter des Königs wurde ihr Anführer Purkart von Janowitz. Die Konstellation hatte nur wenige Monate Bestand. Im gleichen Jahr rief Wenzel seine Mutter Kunigunde nach Prag zurück. Sie kam zusammen mit Zawisch von Falkenstein, den sie inzwischen zunächst heimlich geheiratet und einen Sohn Jan von ihm bekommen hatte. Zawisch war nun Wenzels Stiefvater, konnte ihn für sich gewinnen und erzog ihn. Wenzel sah in ihm den Vater, den er nie richtig kennengelernt hatte. (Zwischen 1283 und) 1285 holten sie die offizielle Eheschließung nach, was Wenzel akzeptierte. Damit war Zawisch faktisch zum Herrscher des Landes aufgestiegen und brachte das Land wieder in Ordnung. Zawisch besetzte noch im Winter 1283/84 alle wichtigen Hofposten mit seinen Verwandten und Parteigängern. Die entmachtete Adelsgruppe ging zum bewaffneten Widerstand über, musste aber im Mai 1284 einen vierjährigen Waffenstillstand akzeptieren.






Bald darauf, 1285, starb jedoch Wenzels Mutter, was für ihn ein schrecklicher Schlag war. Er klammerte sich daraufhin noch mehr an Zawisch, der in der Folgezeit eine immer dominantere Rolle spielte. Mit der Zeit traten immer mehr Verschiedenheiten zwischen Zawisch und Wenzel auf, so dass ihr Verhältnis zusehends komplizierter wurde. Zawisch war charismatisch und stolz, und es hieß, dass er es auf die Königskrone abgesehen habe. Das ging Wenzel immer mehr gegen den Strich und beide hatten dann ein recht gespanntes Verhältnis. Wenzel litt an Paranoia und ließ sich von dieser Vorstellung völlig beherrschen.


Der römisch-deutsche König Rudolf I. von Habsburg akzeptierte den Aufsteiger Zawisch von Falkenstein nicht. Deshalb nahm Zawisch 1278/79 auch nicht an einem Treffen der Familien von Wenzel und Guta in Eger (Cheb) teil, als die beiden fast volljährig (fast 14 Jahre alt) waren und die Ehe vollzogen werden konnte. Nach diesem Treffen nahm Rudolf I. Guta wieder mit. Erst im Sommer 1287 zog Guta als Königin mit ihrem Gefolge auf dem Prager Hof ein.



Wenzel II. ca. um 1290


Bei diesem Treffen leistete Wenzel gegenüber seinem Schwiegervater Rudolf I. von Habsburg den Lehnseid für seine Erbländer Böhmen und Mähren.


Ab 1288 nahm Wenzel II. die Regierungsgeschäfte in die eigenen Hände. Eine seiner ersten Amtshandlungen war 1288 eine Verschwörung gegen seinen Stiefvater, Zawisch von Falkenstein, der in diesem Jahr eine neue Ehe eingegangen war und der auf seine Macht nicht verzichten wollte. Wenzel ließ ihn 1289 unter dem Vorwand einer Einladung zur Taufe in die Burg rufen, steckte ihn in den Kerker und ließ ihn 1290 vor der Burg Hluboka (Schloss Frauenburg an der Moldau) durch das Schwert hinrichten. Wenzel war zu tiefst frömmig, er hörte oft um die 20 Messen am Tag, und hatte deshalb an diesem Verrat schwer zu tragen und gründete als Sühne das Zisterzienserkloster und Hauskloster Zbraslav (Königsaal), in dem fortan die Premyslidenkönige bestattet wurden.



Zawisch von Falkensteins Hinrichtung


König Wenzel II. galt als ein schwacher Herrscher, neurotisch bis krankhaft, mit geringem Interesse am Regieren und soll seine eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten überschätzt haben. Dem widerspricht allerdings eine Phase der Ruhe und Stabilität in Mitteleuropa von 1290 bis 1305. Sein politisches Hauptziel war die Festigung und Erweiterung der Macht des Königreiches Böhmen. Dabei ging er äußerst geschickt zu Werke. Er setzte zwar auf militärische Stärke, aber nicht auf Krieg und Eroberung wie seine Vorgänger, sondern auf fachkundige Berater und Diplomatie. Durch seine Großzügigkeit gewann er die Gunst der Kirche und zum böhmischen Adel, woraufhin das Land aufblühte. Er förderte den Landesausbau, den Zuzug von deutschen Handwerkern und Bauern, die er mit Privilegien ausstattete.


Im letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts wurden bei Kutna Hora sehr ergiebige Silberadern gefunden, die eine umwälzende Entwicklung des böhmischen Königreiches zur Folge hatten. Er förderte die Silberproduktion und gab zwischen 1300 und 1305 ein Bergrecht in Auftrag, erließ die „Kuttenberger Bergordnung“, die zum Teil bis 1854 gültig blieb.



König Wenzel II. erteilt dem Kuttenberger Bergwerk seine Bergordnung.


Wenzel war bemüht, die Finanzen in Ordnung zu halten und führte 1300 eine Finanz- und Münzreform durch, ließ den neuen „Prager Groschen“ prägen, der auch im Ausland bald als stabile Währung galt.



Prager Groschen


Im Laufe der Jahre wuchs Wenzels II. Ansehen. Er soll eine besonders enge Beziehung zu Zittau gehabt haben, da er mit der in Zittau verlebten Zeit zufrieden gewesen sein soll.


Den Besitz seines Vaters in den Alpenländern konnte er nicht wiedererlangen. Sein Hauptaugenmerk richtete er auf die Markgrafschaft Meißen, das Pleißenland und besonders nach Polen. Durch einen Erbvertrag fiel ihm das Fürstentum Krakau seines kinderlos verstorbenen Cousins Heinrich IV. Probus zu. Damit konnte er alte böhmische Ansprüche auf die Herrschaft über Schlesien erneuern. In den Jahren 1291/92 eroberte er Krakau, Sandomierz, Großpolen und Pommern. Seinem wichtigsten Ziel, der Erlangung der polnischen Königskrone, kam er zunächst nicht näher. Als Kurfürst (seit 1289) war er auch einer der Hauptakteure in der Politik des Heiligen Römischen Reiches. So nahm er 1292 und 1298 Einfluss auf die deutschen Königswahlen. 1292 verhinderte er die Wahl Albrechts von Habsburg zum deutschen König, was ihm die erbitterte Feindschaft dessen einbrachte. Die römisch-deutschen Könige Rudolf I., Adolf von Nassau und Albrecht I. waren seine Lehnsherren. Der Reichtum und die Macht der böhmischen Krone ließ sie zu seinen Verhandlungspartnern und oft auch zu Gegnern werden.






König Wenzel II.


1295 wurde Herzog Przemyslaw II. in Großpolen und Pommerellen zum König gekrönt, wurde aber ein Jahr später ermordet. Nachfolger und Herzog wurde Wladyslaw Ellenlang. Dieser war verschuldet und verpflichtete sich 1299, gegen eine Geldzahlung dem König Wenzel II. den Lehnseid zu leisten, hielt sich jedoch nicht daran, weshalb Wenzel II. ihn 1300 ins Exil schickte. Damit wurde Wenzel II. Herrscher und Kurfürst in den Provinzen Großpolen, Pommerellen, Kujawien und Mittelpolen. Zur Machtdemonstration marschierte Wenzel II. mit einem Heer in Polen ein. Im August 1300 wurde Wenzel II. in Gnesen auch zum polnischen König gekrönt. Er führte eine Reihe von Verwaltungsreformen durch. Bis Ende 1300 blieb Wenzel II. in seinem polnischen Königreich, dann zog er nach Prag zurück und betrat Polen nie wieder.


Wenzel II. mit böhmischer und polnischer Krone

Abbildung aus dem Chronicon Aulae Regiae




Der Prager Hof blieb, wie schon bei seinem Vater, ein kulturelles Zentrum, besonders der zeitgenössischen deutschen Literatur. Wenzel II. verfasste selbst Verse, auch in Deutsch, komponierte und sang Minnelieder und holte andere bekannte Dichter und Minnesänger an den Hof.



König Wenzel II. von Böhmen als Minnesänger


Wenzel II. verfolgte kühne Pläne, wollte in Prag eine Universität gründen, was am Widerstand des böhmischen Adels scheiterte. Er förderte die Baukunst, gründete 1285 in Prag ein Augustiner-Eremiten-Kloster, ließ die dazu gehörige Kirche St. Thomas erbauen sowie andere kirchliche Bauten in verschiedenen Städten.


Die eigentliche Krönung zum König erfolgte nach mehreren Verschiebungen erst am 02.06.1297 in Prag im Rahmen eines Ritterfestes, was eine über mehrere Tage und kostspielige Festlichkeit war. Seit 1253, der Thronbesteigung Ottokars II., hatte Prag keine Krönung mehr erlebt. Am Prager Hof wurden wilde Feste gefeiert und eine Geliebte Wenzels namens Agnes gab den Ton an.



Initiale mit einer Miniatur Wenzels II. aus dem Chronicon Aulae Regiae

Auf diesem Fest entstand eine Verschwörung, u. a. auch mit Herzog Albrecht von Habsburg, in deren Ergebnis Adolf von Nassau als deutscher König abgesetzt wurde. Als Belohnung für die Unterstützung Albrechts wurden Wenzel II. die Ober- und die Niederlausitz, das Egerland, Meißen und das Pleißenland zugesprochen.


1301, als die Arpaden ausstarben, eroberte Wenzel II. Ungarn. Er setzte dort seinen Sohn Wenzel III. als König ein. Damit standen drei Königreiche - Böhmen, Polen, Ungarn – später das westslawische Königreich von der Ostsee bis zur Adria - unter dem Zepter der Premysliden, und Wenzel II. hatte den Zenit seiner Macht erreicht.



Die Premysliden – rechts König Wenzel II. mit 3 Kronen